Ein nachgesandter Wertbrief
Bevor ich zur Besonderheit dieses Ganzstückes komme, zunächst eine Anmerkung bzgl. Porto und Gebühren. In der Portoperiode 16 vom 24.–31.8.1923 betrug das Porto für den Fernbrief der 2. Gewichtstufe (>20–100g) 25.000 Mark. Hinzu kam die Einschreibgebühr von 20.000 Mark. Für den angegebenen Wertbetrag von 25 Millionen waren 250.000 Mark Versicherungsgebühr und letztlich noch 1.000 Mark Postlagergebühr fällig, in Summe also 296.000 Mark. Da der Brief mit 297.000 Mark frankiert ist, hat die Depositenkasse der Dresdner Bank der Reichspost also ganze 1.000 Mark geschenkt. Doch nun zum Beleg selbst:
Am 29.8.1923 12-1N ging der Wertbrief ab Berlin-Friedenau an den Oberpostsekretär Carl Buchner nach Lohr/Main hauptpostlagernd – allein dies dürfte bei einem Wertbrief nicht so häufig vorkommen. Am 31.8.1923 ging er in Lohr ein, aber der Herr Postsekretär war wohl in der Zwischenzeit nach München gereist, so dass ein Mitarbeiter, der dies anscheinend wusste, den Brief nach München – ebenfalls hauptpostlagernd – weitergesendet hat. In München war er dann bereits am gleichen Tage gegen 11-12 Vormittag. Aber auch hier konnte er nicht zugestellt werden, da Herr Buchner schon weiter nach Murnau gereist war. Auch dies war wohl einem Mitarbeiter bekannt oder Herr Buchner hatte das so bei einem Kollegen angewiesen. In München (K2 München 1. Brief Abg. 3.9.1923) wurde dann das Porto überprüft (P-Stempel) und für die Nachsendungen von Lohr nach München sowie von München nach Murnau je 296.000 Tausend Mark, zusammen also 592.000 Tausend Mark berechnet. Dies wurde mittels Klebezettel auf der Vorderseite vermerkt. Dieser Betrag war vom Empfänger noch einzuziehen. Die Weiterleitung nach Murnau fand am 3.9.1923 statt. Am 4.9.1923 um 11-12N kam unser Wertbrief dann in Murnau an und konnte dort wohl zugestellt werden. Eine "Brief-Odyssee" durch Deutschland fand somit ihr gutes Ende, allerdings waren die Kosten halt dreimal so hoch wie ursprünglich kalkuliert.
So weit, so gut, aber warum wurden sämtliche Gebühren für jede weitere Nachsendung erneut berechnet? Für die Postlagergebühr wäre dies ja nachvollziehbar, aber doch nicht für Porto, R- und Versicherungsgebühr.
Die Antwort auf diese Frage findet sich im Werk von Rickau/Herzog "Erläuterungen zur Postordnung vom 22.12.1921"; hier steht bei § 44 unter Punkt IV:
„Für gewöhnliche Pakete wird im Falle der Nachsendung die Paketgebühr, für Zeitungspakete innerhalb der Nahzone die ermäßigte Paketgebühr, für eingeschriebene Pakete die Paketgebühr nebst Einschreibgebühr, für Wertsendungen die Paket- oder Briefgebühr nebst Einschreib- und Versicherungsgebühr von Bestimmungsort zu Bestimmungsort zugeschlagen. Für andere Sendungen findet kein neuer Gebührenansatz statt“.
Demnach wurde bei der zweimaligen Nachsendung dieses Wertbriefes gemäß der Postordnung vollkommen korrekt verfahren.
(Armin Städler unter Mithilfe der ARGE Infla Mitglieder H.Mürmann und H.Grätz)